Hier zwei Zitate aus einem wissenschaftlichen Bericht:
ZitatDie erste Schwierigkeit, die ein Linienrichter beim Erkennen einer Abseitsstellung überwinden muss, ist die eigene Reaktionszeit. Wenn wir davon ausgehen, dass im besten Fall etwa 5/100 Sekunden vergehen müssen, bis wir einen Seheindruck im Gehirn vollständig verarbeitet haben, dann legt ein Mittelfeldspieler, der mit einer Geschwindigkeit von etwa 5 Metern pro Sekunde läuft, in dieser Zeit immerhin eine Strecke von 25 Zentimetern zurück. Auf diesen 25 Zentimetern ist der Linienrichter quasi „blind“, da sich sein Gehirn gerade mit der Verarbeitung der empfangenen Daten beschäftigt. Wenn wir aber davon ausgehen, dass diese Verarbeitung sogar 1/10 Sekunde dauern kann und ein sprintender Stürmer sogar bis zu 10 Meter pro Sekunde erreichen kann (die Relativgeschwindigkeit zwischen einem Stürmer und Abwehrspieler kann leicht 10 Meter pro Sekunde betragen), dann vergrößert sich diese „unsichtbare Strecke“ auf einen ganzen Meter! Hierbei ist es natürlich wichtig zu bemerken, dass man während dieser Zeit nicht „blind“ ist, sondern lediglich „beschäftigt“ mit dem Verarbeiten der Dinge, auf die man sich konzentriert. Unser Gehirn versorgt uns in der Zwischenzeit natürlich trotzdem mit Bildern, die nicht immer mit dem wirklich Geschehenen übereinstimmen müssen. Darauf basieren übrigens viele optische Täuschungen, die wir hier nicht weiter diskutieren wollen.
Ein weiteres Problem kommt aber noch für den Linienrichter hinzu. Um eine Abseitsposition zu erkennen, muss das menschliche Auge oft in der Lage sein, gleichzeitig bis zu fünf Objekte zu erfassen, die sich relativ zueinander bewegen. Eine Reihe von Untersuchungen hat bisher aber gezeigt, dass das Auge für diese Aufgabe viel zu träge ist - zumindest in einem dynamischen Spiel wie Fußball, wo sich Angreifer und Abwehrspieler mit bis zu 35 km/h relativ zueinander bewegen. Idealerweise befinden sich alle fünf Objekte, z.B. je zwei Spieler beider Mannschaften sowie der Ball, im Blickfeld des Schiedsrichters oder eines seiner Assistenten. Ohne „Scharfstellen“ erfassen die Augen diese Objekte mit einer Verzögerung von etwa 5/100 bis 1/10 Sekunde, wie oben angedeutet. Wenn das Auge aber „Akkomodieren“, d.h. die Augenlinse verstellen, und Fokussieren muss, dann kostet das mindestens weitere 0,5 Sekunden, was wieder mehreren Metern Unsicherheit auf dem Platz entspricht!
Gleichwohl kommt der Autor zu der Feststellung:
ZitatAls Fazit können wir festhalten, dass die Abseitsregel mit allen Details nicht nur schwierig zu verstehen ist, sondern dass ihre korrekte Umsetzung und das Erkennen auf dem Platz noch viel schwieriger bzw. prinzipiell unmöglich sind. Einerseits ist die Trägheit des menschlichen Auges so groß, dass mehrere Meter Unsicherheit bei jeder Entscheidung bleiben. Auch die rein geometrische Projektion einer Spielsituation ins Auge des Linienrichters kann einen Fehler von bis zu einem Meter bei der Abschätzung des Abstandes zweier Spieler zueinander verursachen. Wenn man dies alles bedenkt, dann sollte man sich eigentlich nicht immer nur über die (wenigen!) Fehlentscheidungen von Linienrichtern unterhalten, die häufig nachträglich in Superzeitlupe, mit Standbildern und 3D Analysen seziert und besserwisserisch von sogenannten „Experten“ kommentiert werden, sondern man sollte die ungeheuere Leistung der Schieds- und Linienrichter würdigen. Sie machen viel weniger Fehler als nach der obigen Analyse zu erwarten wären! Das muss daran liegen, dass sie in der Regel sehr viele Entscheidungen aufgrund ihrer Erfahrung treffen und entsprechende Laufwege der Spieler „vorausahnen“. Mit anderen Worten: Unsere Schieds- und Linienrichter sind offenbar hervorragend ausgebildet! Andernfalls ist die äußerst geringe Zahl an Fehlentscheidungen, insbesondere was Abseitsstellungen angeht, nicht zu erklären.
http://www.weltderphysik.de/de/6517.php
Mit dem letzten Satz bin ich nicht einverstanden, die Fehler, die gemacht werden, sind vielleicht gering, aber auf einem Turnier wie diesem folgenschwer. Die Schwere einer solchen Fehlentscheidung steht in keinem Verhältnis zu den Konsequenzen, denn beim Abseits handelt es sich nicht um ein Foul oder unsportliches Verhalten, sondern um einen technischen Regelverstoss.